Auf Visite in der Villa Sonnenberg

10.05.24

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Palliaviva-Mitarbeiterin Livia de Toffol (links) beugt sich zu einem Patienten, der im Bett liegt. Daneben steht seine Frau. Foto: Gaëtan Bally

Das Palliaviva-Team pflegt einen engen Austausch mit der Villa Sonnenberg. Hier besucht Livia de Toffol (links) einen gemeinsamen Patienten. (Fotos: Gaëtan Bally)

Die «Villa» ist im Knonaueramt eine wichtige Institution. Im Kompetenzzentrum für Palliative Care des Spitals Affoltern arbeiten Ärztinnen, Ärzte und Pflegeteam besonders eng zusammen. Sie nehmen sich viel Zeit für die Patientinnen und Patienten.

Der Arbeitstag der Ärztin Eva Voser beginnt früh, kurz nach 7 Uhr ist sie an diesem Montag in der Villa Sonnenberg eingetroffen. Um ihre zwei Kinder, 4 und 7 Jahre alt, kümmert sich an diesem Morgen ihr Mann. Der Montag ist ein wichtiger Tag im Kompetenzzentrum für Palliative Care. Zu Wochenbeginn findet die Visite der Oberärztin statt, und nachmittags trifft man sich zum interdisziplinären Rapport.

An diesem ist jeweils auch das Team von Palliaviva mit einer Person vertreten. Und auch sonst gibt es einen regen Austausch zwischen der spezialisierten Palliative-Care-Spitex und der Villa Sonnenberg. Villa-Chefarzt Markus Minder, seine Stellvertreterin Bettina von Rickenbach, die Oberärztinnen Eva Voser und Sandra Curschellas sowie Stationsleiterin und Pflegefachfrau Carmen Kissling kennen das Palliaviva-Team bestens – und umgekehrt. Seit Palliaviva einen Büroplatz in der Villa hat, ist der Austausch im Alltag noch enger geworden.

Entlastung für Angehörige

Viele Patientinnen und Patienten, die vorübergehend oder am Lebensende Zeit in der Villa Sonnenberg verbringen, werden auch von Palliaviva zu Hause betreut. An diesem Montag etwa besucht Oberärztin Eva Voser auf ihrer Visite Herrn B., einen über 80-jährigen Mann, der in einem Zweierzimmer untergebracht ist. Herr B. leidet an einem aggressiven Hirntumor. Er ist vor allem hier, weil seine Ehefrau, die ihn daheim mit Unterstützung von Palliaviva rund um die Uhr betreut, eine Entlastung braucht, und um die Schmerzmedikation anzupassen.

Eine Frau beugt sich über ihren Mann, der schwer krank ist und im Bett liegt.

Frau B. verbringt viel Zeit bei ihrem Mann in der «Villa», ist aber zu Hause entlastet.

Eva Voser, die auf der Visite von einer Assistenzärztin begleitet wird, klopft an die Zimmertüre. Frau B. steht am Bett ihres Mannes, streichelt ihm über den Kopf. Doch, doch, sie erhole sich in diesen Tagen, beteuert sie auf die entsprechende Frage, aber ganz allein lassen könne sie ihren Mann hier halt doch nicht. Die Oberärztin will von Herrn B. wissen, ob er Schmerzen verspüre. «Nein», sagt er, alles sei gut. Das Sprechen scheint ihm schwer zu fallen. Neben ihm, im selben Zimmer, liegt ein jüngerer Mann, auch er hat einen Hirntumor.

Livia de Toffol, spezialisierte Pflegefachfrau im Team von Palliaviva, gehört seit längerer Zeit zum Betreuungsteam von Herr und Frau B. zu Hause. Sie kommt am frühen Nachmittag in der Villa vorbei. Vor dem interdisziplinären Rapport klopft auch sie an die Zimmertür bei Herr B., um nach ihm zu schauen und sich zu erkundigen, wie es Frau B. in der jetzigen Situation ergeht.

Ein Austritt, zwei Eintritte

Oberärztin Eva Voser macht derweil ihre Runde von Zimmer zu Zimmer. Jeweils am Montag verschafft sie sich einen Überblick über die Situation der einzelnen Patientinnen und Patienten. Privat- und Halbprivatversicherte bekommen zweimal pro Woche zusätzlich Besuch von Chefarzt Markus Minder. Viele Patientinnen und Patienten sind hier, um die Medikation neu einzustellen, wenn sich Symptome verändert oder neu gezeigt haben.

Ein Mann sitzt in einem Rollstuhl, der mit Palliative Care beschriftet ist.

Das Altersspektrum der Patientinnen und Patienten ist gross.

Aus diesem Grund ist Frau D. hier, eine junge, erst 30-jährige Frau, die einen seltenen Tumor hat. Frau D. war schon mehrmals in der Villa, meist nur für wenige Tage. Jetzt sitzt sie scheinbar ohne Beschwerden im Schneidersitz auf dem Bett, als Eva Voser das Zimmer betritt. Frau D. litt bei ihrem Eintritt unter ständiger Übelkeit, die möglicherweise von einer kurz zuvor durchgeführten Chemotherapie herrührte. Das akute Problem scheint für den Moment behoben. Die junge Frau äussert jedenfalls klar, dass sie so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren möchte. Der Austritt wird in Absprache mit der Pflege auf den nächsten Tag geplant.

Auch zwei Eintritte gibt es an diesem Montag. Einerseits handelt es sich um Herrn P., einen Mann im Pensionsalter, dessen Diabetes schlecht eingestellt ist und der unter Spätfolgen der Erkrankung leidet, die ihn stark einschränken und quälen. Andererseits tritt die über 80-jährige Frau K. ein, bei der vor wenigen Monaten ein Tumor an der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert worden war, der Metastasen gebildet hat. Das Eintrittsgespräch mit der Patientin und dem Patienten führt die Assistenzärztin selbstständig, während Eva Voser zusammen mit Markus Minder eine Privatpatientin besucht.

Für die Visite nimmt sich das Team viel Zeit, denn in der Palliative Care geht es nicht nur um rein medizinische Fragen, sondern auch um psychologische, seelische und spirituelle Dimensionen einer Erkrankung. Das ist das, was Eva Voser an der Palliative Care besonders fasziniert. Sie ist zurzeit daran, den entsprechenden Schwerpunkttitel zu erlangen, den CAS hat sie – mit einer Arbeit zur Situation im Knonaueramt – bereits abgeschlossen.

Ruhig und respektvoll

Dass es in der Palliative Care um viel mehr geht als um Diagnosen, Medikamente und andere Therapien, zeigt sich auch im interdisziplinären Rapport, der jeweils am Montagnachmittag stattfindet. An einem grossen Tisch im Dachgeschoss der Villa Sonnenberg sitzen rund ein Dutzend Personen: Pflegefachfrauen, Medizinerinnen und Mediziner, aber auch die Ernährungs- und die Sozialarbeiterin, zwei Seelsorgerinnen sowie Livia de Toffol von Palliaviva.

Hier tauscht man sich im Netzwerk aus über die aktuellen Befindlichkeiten und Probleme der Patientinnen und Patienten sowie über Perspektiven und individuelle Unterstützungsangebote, mit denen die Lebensqualität möglichst lange erhalten werden kann. In diesem Rapport gibt es mitunter auch überraschende Momente, etwa als die Sozialarbeiterin erzählt, die junge Frau D. beschäftigten neben ihrer lebenslimitierenden Krebserkrankung auch finanzielle Sorgen.

Verschiedene Personen sitzen um einen Tisch an einem Rapport im Kompetenzzentrum für Palliative Care in Affoltern am Albis.

Im Zentrum steht die Suche nach der individuell besten Lösung für die Betroffenen.

Der interdisziplinäre Rapport findet in einer ruhigen, respektvollen Atmosphäre statt, in der mit Würde über die schwer kranken Patientinnen und Patienten gesprochen wird. Frau K. sei schläfrig und nur noch für kurze Momente wach, erzählt hier die Assistenzärztin, die am Vormittag das Eintrittsgespräch führte. Es klingt, als ginge es dem Ende entgegen.

Leise klopft Oberärztin Eva Voser an diesem Nachmittag an die Tür von Frau K., um sich selber ein Bild zu machen. Die Patientin antwortet kaum hörbar auf die Fragen der Ärztin; die Augen öffnet sie nicht. Sie liegt tief in den Kissen unter der Decke und sieht ganz friedlich aus. So, als wäre sie einfach nur sehr, sehr müde.

Ärztin Eva Voser in der Villa Sonnenberg.

Ärztin Eva Voser in der Villa Sonnenberg.

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