«Die Filme haben uns eine andere Seite von Fredy gezeigt»
30.08.17
Fredy Scheitlin, ehemaliger Architekt und Krebspatient, hatte uns an seinem Alltag teilhaben lassen. Er erzählte in mehreren Interviews von seinem selbstbestimmten Leben in den eigenen vier Wänden. Der 71-Jährige ist vor sechs Wochen gestorben. Seine Geschichte aber geht weiter.
Am Abend nach der Beerdigung von Fredy Scheitlin erreichte uns ein Mail von Vera Schwarz, seiner Schwester: «Wir sind Ihnen dankbar für den von Herzen kommenden Nachruf sowie für alle Beiträge über Fredy.» Der ehemalige Architekt hatte Onko Plus mehrere Video-Interviews gewährt. Darin erzählte er offen, wie er mit seiner Krankheit lebt, wie er trotz Schmerzen seinen Alltag selbstbestimmt gestaltet und wie gelassen er seinem Tod entgegensieht.
«Die Videos haben dem Pfarrer geholfen, die Predigt so nahe wie möglich am Verstorbenen zu gestalten.» Vera Schwarz, Schwester
Vera Schwarz schrieb, sie hätten die Filme allen Besucherinnen und Besuchern zur Ansicht empfohlen, und auch der Pfarrer sei beeindruckt gewesen von der Geschichte. «Es hat ihm geholfen, die Predigt so nahe wie möglich am Verstorbenen zu gestalten.» Spontan hätten sie deshalb beschlossen, die in der Kirchenkollekte gesammelten 527 Franken Onko Plus zukommen zu lassen.
Diese grosszügige Spende und die positive Rückmeldung freuten uns sehr. Vor allem weil Fredy Scheitlin kurz vor seinem Tod einmal seine Skepsis äusserte, ob die Filme überhaupt angeschaut würden. Obwohl er sie Familie und Freunden zur Ansicht empfahl, und diese die Filme auch anschauten, war er sich über deren Wirkung offenbar nicht so sicher. Umso schöner, dass sich die Hinterbliebenen nach seinem Tod dank der Videos an ihn erinnern und ein bisschen trösten konnten.
«Die Filme haben uns noch einmal eine andere Seite von Fredy gezeigt.» Hans Schwarz, Schwager
Bei einem Treffen mit Vera Schwarz und ihrem Mann Hans zeigten sich die beiden ebenfalls offen. Sie erzählten von ihrer grossen Familie – die beiden haben fünf Kinder – und wie eng Fredy Scheitlin an ihrem Familienleben teilgenommen habe. Von drei ihrer Kinder war Scheitlin offiziell Götti, und auch die anderen zwei Kinder sprachen ihn als Götti an. Ausserdem war er auch bei Kindern von Freunden Taufpate gestanden. Er war stolz darauf, insgesamt sieben Patenkinder zu haben, das hatte er auch uns erzählt. Selbst war er kinderlos geblieben, schien aber mit dieser Tatsache nicht zu hadern. Es war wie bei seiner Krankheit: Er nahm an, was ihm das Leben brachte, und machte das Beste daraus.
Sein Schwager Hans Schwarz sagte, die Filme hätten ihnen noch einmal eine andere Seite von Fredy gezeigt. «Wie er in einem Video sagte, war er tatsächlich ein Blender. Man sah ihm die Krankheit nicht an. Er jammerte nie und sprach auch nicht unnötig viel darüber. Er war zufrieden.» Nur müder sei er mit der Zeit geworden, erzählt Vera Schwarz. Schade sei gewesen, dass er deshalb die Taufen ihrer Grosskinder nicht mehr habe mitfeiern können. «Er sagte, es fehle ihm die Kraft für grosse Feste.»
Vera Schwarz sprach auch darüber, wie der 71-Jährige schliesslich gestorben ist: Ein heftiger epileptischer Anfall, ausgelöst von einer seiner Hirnmetastasen, führte wohl zu einem Herz-Kreislauf-Versagen. Seine Privatpflegerin alarmierte daraufhin die Sanität. Diese brachten den bereits Bewusstlosen ins Universitätsspital Zürich. Dort lebte er nur noch ein paar Stunden, war aber nicht mehr bei Bewusstsein. Immerhin konnte sich seine Familie dort in Ruhe und in friedlicher Atmosphäre von ihm verabschieden. Vera Schwarz erzählt: «Man sah von seinem Zimmer aus auf eine gut aufgeräumte Baustelle. Der Kran war mit einer Lichterkette schmückt. Man hatte einen wunderbaren Blick auf seine geliebte Stadt Zürich. Das alles passte zu Fredy. Ich erzählte ihm das und hatte das Gefühl, er reagiere auf meine Worte. Er starb mit einem Lächeln im Gesicht.»