Für die einen ein Segen, für die anderen Sparpotenzial

19.09.18

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Frau C. gibt einer Radiojournalistin der Sendung «Espresso» Auskunft darüber, wie viel Lebensqualität ihr die Schmerzpumpe verschafft (Bild: sa).

Die Krankenkassen bezahlen den Spitex-Organisationen einen Teil des Pflegematerials nicht mehr. Die öffentliche Hand sieht sich auch nicht in der Pflicht. Gerade für Palliativpatientinnen und -patienten ist das ein unwürdiges Schwarz-Peter-Spiel.

Die Metastasen haben sich in Frau C.s Wirbelsäule gefressen. Vor einigen Jahren wurde diese bereits stabilisiert, nun schreitet die Krankheit voran, wuchert um die Schrauben herum und drückt auf die Nerven. «Ich würde nur noch schreien vor Schmerzen, hätte ich die Pumpe nicht», sagt Frau C. Die 58-Jährige hat einen langen Leidensweg hinter sich, nachdem ihr vor zwölf Jahren ein aggressiver Brustkrebs diagnostiziert wurde. Operationen, Therapien, die Rückkehr des Krebses und Metastasen vor allem in den Knochen hatten eine Odyssee durch Spitäler und Pflegeheime zur Folge. Nun ist Frau C. im Seniorenzentrum Wiesengrund in Winterthur angekommen. Betreut wird sie zusätzlich von Onko Plus, der Stiftung für mobile spezialisierte Palliativ- und Onkologiepflege, welche auch für die Schmerzpumpe zuständig ist.

«Würde man mir die Schmerzmittel intravenös verabreichen, müsste man mich sedieren. Ich bin aber gerne klar im Kopf, kann Gespräche führen und fröhlich sein.»
Frau C., Krebspatientin

Das computergesteuerte Kathetersystem verabreicht der Patientin permanent ein Gemisch aus Schmerzmittel und Anästhetikum. Bei Schmerzspitzen kann sie sich zudem selbst Boli verabreichen. Die Gabe der Mittel direkt in den Spinalkanal hat zwar zur Folge, dass sie von der Hüfte an abwärts gelähmt ist und nur noch halb aufgerichtet im Bett liegen kann, dennoch gibt ihr die Pumpe viel Lebensqualität: «Würde man mir die Schmerzmittel intravenös verabreichen, müsste man mich sedieren. Ich bin aber gerne klar im Kopf, kann Gespräche führen und fröhlich sein.» Frau C. verbringt die meiste Zeit im Garten. Etwas von den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern abgeschottet empfängt sie im Bett Besuch. Sie kann dort auch rauchen. Manchmal bleibe sie die halbe Nacht draussen, sagt die Patientin und freut sich sichtlich über dieses kleine Stückchen Selbstbestimmung.

Seit diesem Jahr kann Onko Plus Frau C.s Krankenkasse weder die Pumpen-Miete in Rechnung stellen noch das Material wie Schläuche oder Nadeln. Grund dafür ist das Bundesverwaltungsgericht, das befand, Verbrauchsmaterial, das sich auf der Mittel- und Gegenstandsliste (MiGeL) befindet, dürfe nicht mehr separat verrechnet werden.

«Wir sehen die Verantwortung klar bei den Krankenkassen und den Gemeinden.»
Ilona Schmidt, Geschäftsleiterin Onko Plus

Monatlich bleibt Onko Plus im Fall von Frau C. auf 200 Franken Materialkosten sitzen. Total liegen sie bei durchschnittlich 1500 Franken im Monat und werden vorläufig mit Spenden gedeckt. Wie Ilona Schmidt, Geschäftsleiterin von Onko Plus, sagt, kommt es für ihre Organisation nicht in Frage, diese Kosten auf die Patienten abzuwälzen. «Wir sehen die Verantwortung klar bei den Krankenkassen und den Gemeinden.» Der Praxiswechsel der Kassen habe zur Folge, dass sich die Vollkosten der spezialisierten Palliative-Care-Dienste und somit die Tarife für die Gemeinden auf nächstes Jahr hin erhöhen. Im Kanton Zürich sind sie für die Pflege zu Hause zuständig.

Das Problem verschärft sich zusätzlich mit dem Bundesratsentscheid vom Juli 2018: Er will die Kassenbeiträge für die Spitexpflege um 3,6 Prozent senken. Auf Bundesebene wird nun nach einer faireren Lösung gesucht, denn auch die Gemeinden und Kantone wehren sich dagegen, künftig mehr zu bezahlen. Im Ständerat wurde eine Motion eingereicht, welche den Bundesrat auffordert, die fixen Beiträge der Kassen an die Pflege flexibler an die Kostenentwicklung anzupassen, und die Kosten für das MiGeL-Material darin zu berücksichtigen.

Dieses unwürdige Schwarz-Peter-Spiel darf nicht auf Kosten von Palliativpatientinnen wie Frau C. gehen, sind sich sowohl Stiftungsrat als auch Geschäftsleitung von Onko Plus einig. Für die Krebspatientin im Endstadium ist die Schmerzpumpe nämlich ein wahrer Segen.

Lösung für den Kanton Zürich

Im Kanton Zürich ist nun schneller als vermutet eine Lösung aufgetaucht: Der Spitex Verband Kanton Zürich (SVKZ), die Association Spitex Privé Suisse (ASPS) sowie der Schweizerische Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) haben zusammen mit dem Gemeindepräsidentenverband (GPV) und in Absprache mit der Gesundheitsdirektion des Kantons eine einheitliche Regelung für die Verrechnung der MiGeL-Materialien getroffen. Den Spitexorganisationen wird empfohlen, das Material pauschal mit Franken 3.35 pro Stunde Behandlungspflege abzurechnen. Das gilt rückwirkend ab Januar 2018 sowie fürs Jahr 2019.

Dieser Artikel ist zuerst in der Fachzeitschrift Onkologiepflege Nr. 3/2018 erschienen.

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