Das bewegte Leben der Ursula H.

15.08.18

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Onko-Plus-Patientin Ursula H. hat bisher ein unstetes Leben gehabt. Sie zog viel um und wechselte häufig ihre Arbeitsstellen. Mehrmals musste sie sich nach einer schweren psychischen Krise wieder vollständig aufrappeln. Das ist ihr jedes Mal gelungen.

Ursula H. schreibt für unseren Blog ihr Leben auf. Es ist kein geradliniger Weg, den sie zusammen mit ihrem Mann gegangen ist. Es ist auch kein einfacher Pfad, viele Steine legten sich ihnen in den Weg: Krankheit, Umzüge, Mobbing, ein besonderes Kind. Dennoch rappeln sich die H.s immer wieder auf. Ursula ist eine Steh-auf-Frau, die über eine immense innerliche Stärke verfügt. Neben der Erziehung ihrer Kinder und dem Führen des Haushalts sucht sie sich immer wieder Teilzeit-Jobs, damit sie finanziell über die Runden kommen. Hier ist nur eine Auswahl der von ihr ausgeübten Berufe:

  • Krankenschwester
  • Polizistin
  • Verkaufsberaterin
  • Hortleiterin
  • Fitnessinstruktorin
  • Casinoassistentin
  • Billardsaalaufseherin
  • Türsteherin in einem Club
  • Zeitungsverträgeraufsicht
  • Putzfrau
  • Besucherin für einsame Menschen
  • Mannequin und Model (siehe Bilder)
  • Hauswartin
  • Sigristin

Ursula H. hat bereits beschrieben, wie beschwerlich ihre Kindheit und Jugend war. Jetzt hat sie wichtige Stationen aus dem Rest ihres Lebens herausgegriffen:

«Am 23. August 1977 heirateten mein Mann und ich. Wir wollten Kinder, mussten aber drei Jahre warten, bis ich schwanger wurde. Unser Sohn kam am 10. 10. 1980 zu uns, und vier Jahre später, am 11. 9. 1984, unsere Tochter.

Leider mussten wir damit fertig werden, dass unser Sohn das Aspergersyndrom hatte. Es war unglaublich schwierig und belastend für uns. Er war ein anstrengendes Kind, ist hochintelligent und wurde durch die Unterforderung in der Schule depressiv. Wir beschlossen, ihn in ein Internat zu schicken. Das waren schwere Zeiten. Ich arbeitete 100 Prozent, damit wir die Kosten für die Schule bezahlen konnten.

Unser wunderbare Sohn, der mit so vielen Talenten gesegnet ist, lernte Chemietechnologe, war Lokführer und lebt jetzt als Pilot in Hongkong. Er spricht vier Sprachen, hat studiert und bildet sich dauernd weiter.

Unsere Tochter ist Immobilienbewirtschafterin und hat Karriere gemacht. Wir sind unglaublich stolz auf die beiden.

Sie finden ein vergessenes Tuch im Bauch. Mein Mann erholt sich psychisch nie mehr ganz.

Wir schreiben das Jahr 1990. Das Telefon klingelt. Ein Arzt sagt mir, dass mein Mann im Spital ist und notoperiert werden muss wegen eines geplatzten Blindarms. Er schwebe in Lebensgefahr. Ich weiss nicht, ob ich zu spät komme und habe horrormässige Verlustangst. Er überlebt. Drei Wochen später wird er erneut als Notfall ins Spital eingeliefert: Sein Bauchfell ist entzündet. Er wird notoperiert. Sie finden ein vergessenes Tuch im Bauch. Mein Mann erholt sich psychisch nie mehr ganz. Ich erkranke für viele Jahre an Anorexie und werde depressiv. Dank Antidepressiva und Psychotherapie erhole ich mich jedoch wieder.

Wir arbeiten beide, und wir reisen mit unseren Kindern nach Indonesien, Amerika, Afrika und an viele andere Destinationen. Wir wollen ihnen die Welt zeigen. Für uns zwei ist es ein Spass und sehr lehrreich.

An einem Tag im Jahr 2003, kommt mein Mann mitten am Tag von der Arbeit nach Hause. Er kann nicht mehr, ist komplett ausgebrannt. Nach einem Jahr wird abgeklärt, ob er eine Invalidenrente erhält. Die Abklärung zieht sich endlos dahin. Bald haben wir kaum noch Geld zum Leben. Wir finden eine günstige Wohnung in einem abgelegenen Bauernhaus. Die Miete ist billig, dafür müssen wir für zwanzig Mutterkühe sorgen. Wir schuften uns kaputt. Ich werde mit dem Leben nicht mehr fertig und bekomme schwere Depressionen. Ich lasse mich in eine psychiatrische Klinik einweisen. Das bedeutet drei Monate Kampf, bis es wieder einigermassen geht. Dann besuche ich für sechs Monate eine Tagesklinik. Ich werde wieder stabil. Wir ziehen in eine grosse, helle Wohnung um, wo wir als Hauswarte arbeiten. Es geht aufwärts.

Nach einem Jahr bekomme ich die Diagnose Polyarthritis. Wir ziehen wieder um, in ein Haus, das von einer Privatperson vermietet wird. Wir werden von der Eigentümerin schikaniert. Das Haus ist voller Schimmel, weil das Dach defekt ist. Wir entfliehen diesem Horror, sind aber beide angeschlagen. Ich werde wieder depressiv, verbringe wieder drei Monate in der Klinik und sechs Monate in der Tagesklinik. Danach erhole ich mich zum Glück wieder vollständig.

Wir bleiben sieben Jahre in Luzern und arbeiten. Das Leben ist schön.

Dank unserer Tochter finden wir eine günstige und wunderschöne Altbauwohnung mitten in Luzern. Wir absolvieren beide eine Ausbildung zu Begleitpersonen für alte und einsame Menschen. Wir bleiben sieben Jahre dort und arbeiten. Das Leben ist schön.

Nach unserer Pensionierung ziehen wir nach Kloten. Wieder haben wir Glück: Wir finden eine riesige 4.5-Zimmer-Wohnung mit einer wunderbaren Verwalterin, die uns nur Gutes tut. Wir leben uns schnell ein und sind glücklich. Hier wollen wir unseren Lebensabend verbringen. Wir richten die Wohnung ganz nach unserem Geschmack ein.

Es ist der 21. November 2017. Ich stehe am Morgen früh auf. Eine Magenspiegelung steht auf dem Programm, weil ich ständige Bauchbeschwerden habe. Am Nachmittag wird noch eine MRI-Untersuchung gemacht. Um 18 Uhr an diesem Tag erhalte ich dann die Diagnose: Es ist Bauchspeicheldrüsenkrebs. Man gibt mir noch sechs bis acht Monate.

Am 23. August 2018 werden wir unseren 41. Hochzeitstag feiern.»

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