Das Sylter Zimmer
01.02.17
Einer der Wünsche auf Kathrin Täschlers Bucket List war, noch einmal nach Sylt zu reisen, ihren Lieblingsort. Das blieb ihr nicht vergönnt. Ihre Angehörigen werden aber ihre Asche von Sylt aus der Nordsee übergeben. (Bilder: Bernhard Süess)
Kathrin Täschler ist in der Nacht auf Samstag auf der Palliativstation des Universitätsspitals Zürich gestorben.
Am Schluss ist Kathrin Täschler alleine gegangen. Ihre jüngste Schwester verliess das Spital zwanzig Minuten vorher. Sie hatte ihr noch das Meeresrauschen, aufgenommen auf Sylt, vorgespielt. Die Nordseeinsel war Täschlers Kraftort gewesen, ein Sehnsuchtsort, an dem sie in den letzten Jahren mehrere Monate verbracht hatte, um ihre Memoiren zu schreiben. Die Freundin und Nachbarin, welche die ganze Nacht an ihrem Bett ausharren wollte, verliess für einen kurzen Moment das Sterbezimmer.
Da tat Kathrin Täschler ihren letzten Atemzug. Friedlich. Ohne Schmerzen. Ohne Angst.
«Jetzt geht es ihr gut, und sie hat ihren Seelenfrieden gefunden», sagt Bernhard Süess, ihr Ex-Partner und bester Freund, einen Tag danach. Er, ihre Schwestern und zwei Freundinnen hatten sich seit Mittwoch an ihrem Bett abgewechselt. Sie begebe sich nun auf den Sterbeweg, hiess es Mitte Woche vom Spital. Sie atmete nur noch unregelmässig. Manchmal setzte der Atem sogar aus.
Wie aus einem bösen Traum erwacht
Dem vorangegangen waren eineinhalb Wochen auf der Palliativstation des USZ, in denen sie sich erstaunlich gut erholte. Sie kam in einem schlechten Allgemeinzustand, geschwächt und sich krümmend vor Schmerzen. Sie war grösstenteils abwesend. Dann, am Freitag vor einer Woche, schien sie wie aus einem bösen Traum zu erwachen, war präsent, checkte SMS und posierte mit verschiedenen Leuten für Fotos. Für diesen Blog liess sie sich zum Beispiel mit Spitalpfarrer Dieter Graf und einer Glücksbringer-Mütze fotografieren.
Täschler sprach von einem Übertritt ins Lighthouse. Bernhard Süess sagte ihr aber, dass es ihm und den anderen Angehörigen lieber wäre, sie bliebe vorerst im Spital. Hier werde sie enger betreut. Das akzeptierte sie. Sie sei gut umsorgt worden im Spital, sagt er rückblickend. Auch Mitglieder des Freiwilligen-Teams seien an ihrem Bett gesessen und jemand von ihnen habe ihr einmal sogar die Füsse massiert, was sie so liebte.
Bestattet im Burlesque-Kostüm
Am Schluss brauchte sie neben der engmaschigen Betreuung starke Schmerzmittel und solche, die ihr die Angst nahmen. Sie und ihre Angehörigen waren froh über das Einzelzimmer. Süess nennt es liebevoll «das Sylter Zimmer». Über ihrem Bett hing ein Bild von Sand, Himmel und Strandkörben. Daneben hängten sie weitere: eines der Blumen, die man ihr schenkte, eines von einem Sonnenuntergang, eines von ihr selbst, der Strahlefrau, mit einem Schmetterlings-Drachen am Sylter Strand.
Einer ihrer letzten Wünsche war, noch einmal nach Sylt zu reisen. Das gelang ihr nicht mehr. Aber ihre Familie und Freunde werden ihre Asche der Nordsee übergeben, wie sie es sich gewünscht hatte. In einer herzförmige Urne, die sich nach und nach im Wasser auflöst. Die Urne wird jetzt noch von den Kindern der Schwestern bemalt.
Täschler hat alles geregelt. Sie wusste genau, was sie will. Zum Beispiel dass sie nach ihrem Tod ihr weisses Burlesque-Kostüm tragen möchte. Der kraftvoll, weibliche Tanz in fantasievollen Kostümen war eines ihrer Hobbys. Die verspielte Provokation passte zu ihrer selbstbewussten Art.
Sie schrieb auch den Lebenslauf selbst, den man an ihrer Trauerfeier im Grossmünster verlesen soll.
«Es wird ein helles Licht kommen.» Kathrin Täschler
Kathrin Täschler glaubte fest an Gott und hatte eine positive Vorstellung von dem, was nach dem Tod kommt. In diesem Blog sagte sie selbst, sie erwarte danach das Paradies. «Das hier auf Erden ist nur ein Zwischenstopp. Danach geht es weiter mit viel Liebe und Freude. Es wird ein helles Licht kommen.»
Die Trauerfeier für Kathrin Täschler findet am Montag, 6. Februar 2017, um 14.30 Uhr im Grossmünster Zürich statt. Ihr Wunsch war es, dass die Gäste der Trauerfeier in weisser oder bunter Garderobe erscheinen.
Kathrin Täschler (51) war Naturheilpraktikerin und diplomierte Masseurin. 2010 erkrankte sie an Mandelkrebs, erholte sich aber wieder. 2013 wurden ihr auch Kehlkopf- und Zungenkrebs diagnostiziert. Daraufhin wurden ihr der Kehlkopf und drei Viertel der Zunge entfernt. Sie lernte wieder sprechen, konnte aber nur noch Püriertes essen. Zwei Jahre lang ging es ihr gut, sie widmete sich ihren Hobbys und reiste viel. Sie lebte damals bereits von der IV, massierte bis Juli 2016 aber noch zwei Mal pro Woche.
2014 fand man Metastasen auf ihrer Lunge. Sie beschloss, nur noch alternative Therapien wie Mistel- oder Fiebertherapien dagegen anzuwenden und ihr Leben zu leben. Unter anderem verbrachte sie mehrere Monate auf Sylt und schrieb dort ihre Biografie nieder.
Im zweiten Halbjahr 2016 häuften sich ihre körperlichen Probleme: Sie hatte mit Schmerzen in der Lunge und Atemproblemen zu kämpfen, das Sprechen fiel ihr immer schwerer. Ein Pilz im Mund und in der Speiseröhre liess sie andauernd erbrechen. Sie verlor an Gewicht. Mit nur noch 42 Kilogramm erhielt sie schliesslich eine Magensonde. Ab dann kommuniziert sie schreibend mit dem Gegenüber und lebt nach drei Wochen im Hospiz wieder zu Hause in ihrer eigenen Wohnung in Zürich-Oerlikon. Dort wollte sie ursprünglich auch bleiben bis zu ihrem Tod. Die letzten knapp zwei Wochen verbrachte sie auf der Palliativstation des Universitätsspitals Zürich (USZ). In der Nacht auf Samstag, 28. Januar 2017, ist sie dort gestorben.
Kathrin Täschler war mit verschiedenen Verlagen im Kontakt. Sie hatte gehofft, dass das Erscheinen ihres Buches, in dem sie ihr Schicksal festgehalten hat, noch erlebt.