Sie freut sich jeden Morgen, in ihrem Haus zu sein

24.06.24

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Ursula S. in ihrem Wohnzimmer.

Im Alltag leidet Ursula S. am meisten unter der Atemnot. Aber sie ist tapfer und freut sich an Schönem. (Foto: Privat)

Ursula S. lebt alleine und leidet unter einer fortschreitenden Lungenkrankheit. Ungefähr alle zwei Wochen wird sie vom Palliaviva-Team besucht, meistens von Livia de Toffol. Über sie sagt die Patientin: «Sie pusht mich und tröstet mich auch.»

Der Weg von der Strasse zum Haus führt über ein paar Treppenstufen, dann durch den sehr gepflegten, grossen Garten. Nun steht man vor der blau gestrichenen Haustüre und drückt die Klingel. Ursula S. ist kurz hinter dem kleinen Fenster neben der Tür zu sehen, gleich öffnet sie mit dem Schlüssel. Sie wirkt robust und hat eine feste, tiefe Stimme. Über den Schultern und der gestreiften Bluse trägt sie leger einen dünnen Wollpullover, in ihrem halblangen Haar steckt eine Lesebrille.

Der erste Eindruck mag für kurze Zeit darüber hinwegtäuschen, dass Ursula S. schwer krank ist. Sie leidet an COPD, einer sogenannten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, und kommt Tag und Nacht nicht ohne zusätzlichen Sauerstoff aus, der aus einem mobilen Gerät durch zwei Schläuchlein in ihre Nase geführt wird. Ungefähr 80 bis 90 Prozent der COPD-Fälle sind auf Rauchen zurückzuführen.

Trost in traurigen Momenten

Befragt nach dem Symptom, das sie im Alltag am meisten belastet, antwortet Ursula S.: «Die Atemnot.» Am Vormittag schafft sie es kaum, zu sprechen, darum finden auch die Besuche von Palliaviva immer am Nachmittag statt. In der Regel ist es Pflegefachfrau Livia de Toffol, die zu Ursula S. fährt; der erste Besuch war im Herbst 2023. Seither hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt.

Palliaviva gibt Ursula S., wie sie sagt, vor allem eine gewisse Zuversicht. «Livia de Toffol pusht mich. Nachdem sie hier war, geht es mir immer besser. Sie sagt, wie es ist, und sie tröstet mich auch.» Traurige Momente gibt es immer wieder, etwa dann, wenn sie an den Tod ihres Mannes vor rund zwei Jahren denkt. Traurig macht sie auch der Gedanke daran, dass sie Schritt für Schritt einen Teil ihrer Selbstständigkeit verliert. Für manche Verrichtungen im Alltag fehlt ihr zunehmend die Kraft.

Zuzulassen, dass die Spitex zu ihr kommt, um ihr beim Duschen und Haarewaschen zu helfen, kostete sie viel Überwindung. Im Garten und im Haus beschäftigt sie schon länger einige gute Geister, die zum Rechten schauen. Dass sie bei Palliaviva dank dem 24-Stunden-Pikettdienst in einem medizinischen Notfall jederzeit eine Ansprechperson hat, ist für die 77-Jährige eine grosse Beruhigung.

Freude an schönen Dingen

Sitzt man mit Ursula S. am Esstisch im Erdgeschoss des Hauses, blickt man durch ein riesiges, rechteckiges Fenster direkt in den Garten. Das Fenster wirkt wie ein Bild mit Rahmen. Auf dem mit einem Tischtuch bedeckten Esstisch, an dem locker acht Personen Platz nehmen könnten, stehen diverse blitzblank geputzte und polierte Accessoires aus Silber. Vieles davon ist Hotelsilber aus Liquidationen, das nicht wie lediglich versilberte Gegenstände mit der Zeit seine Schönheit verliert, wie Ursula S. betont.

In einem Champagnerkübel aus Silber mitten auf dem Tisch stehen Töpfe mit weissen Orchideen, auf einem Miniatur-Silbertablett daneben ein putziger Salz- und ein dazu passender Pfefferstreuer. Ursula S. legt offensichtlich Wert darauf, sich daheim mit geliebten Dingen zu umgeben, und so sagt sie denn auch: «Ich freue mich jeden Morgen, in meinem Haus zu sein.»

«Mit Livia de Toffol rede ich nicht nur über die Krankheit, sondern auch über das Leben», erzählt Ursula S., aber natürlich kehrt das Gespräch immer wieder zur COPD-Diagnose und den Symptomen zurück. Die Diagnose erhielt sie kurz nach dem Tod ihres Mannes, als sie wegen einer schweren Lungenentzündung vier Wochen im Stadtspital Zürich Triemli verbrachte. In dieser Zeit habe sie 14 Kilogramm abgenommen, bis der Erreger endlich gefunden wurde und bekämpft werden konnte.

In der anschliessenden Rehabilitation erholte sich Ursula S. relativ gut, doch zu ihrem Zustand vor der Lungenentzündung fand sie nie mehr zurück. Seither ist die Atemnot im Alltag ausserordentlich belastend. «Wenn ich zurückdenke, hatte ich schon vor der Lungenentzündung gemerkt, dass etwas nicht ganz stimmt.» Diese ersten Krankheitsanzeichen habe sie aber gedanklich zur Seite geschoben.

Als OP-Schwester im Spital

Ursula S. blick auf ein äusserst spannendes, vielseitiges Leben zurück. Sie wuchs als Tochter des Chefarztes eine psychiatrischen Einrichtung in Deutschland auf. «Damals war es üblich, dass der Chefarzt auch im Haus wohnte», sagt sie. Sie absolvierte eine Lehre als Pflegefachfrau und dann die Ausbildung zur OP-Schwester. Als junge Frau, nach einer unglücklichen Liebe, habe ihr der Vater eines Abends ein Stelleninserat aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf den Teller gelegt. In der Klinik Hirslanden in Zürich suchte man eine «OP-Schwester mit Fremdsprachenkenntnissen».

Sie erinnert sich: «Im August 1969 lieferte mich mein Vater in Zürich ab. Ich war 23 Jahre alt, noch total unselbstständig, und ich fühlte mich furchtbar.» Die Fremdsprachenkenntnisse brauchte sie in der Folge kaum, weil sie ja im Operationssaal arbeitete, aber eines Tages bekam sie am OP-Tisch ein Stellenangebot von einem Magen-Darm-Chirurgen, der auch eine eigene Praxis führte. «Dort assistierte ich ihm bei kleineren Eingriffen mit Lokalanästhesie, organisierte die Termine mit den Patientinnen und Patienten und packte seine Tasche mit Spezialinstrumenten, bevor er zum Operieren ins Spital fuhr.»

Bewusst gepflegte Freundschaften

Berufstätig blieb Ursula S. auch nach ihrer Heirat, was zu jener Zeit ungewöhnlich war. Sie arbeitete später unter anderem bei der Pro Senectute und leistete Sozialeinsätze bei Alkohol- und Drogenkranken. Mit Mitte 50 absolvierte sie noch ein Studium zur Deutschlehrerin für Kinder, für die Deutsch die Zweitsprache ist. Bis zur Pensionierung blieb sie in diesem Beruf.

«Ich arbeitete gerne und habe viel vom Leben gesehen», fasst sie zusammen. Dass sie heute auf liebgewonnene Gewohnheiten verzichten muss und beispielsweise nicht mehr auswärts essen gehen kann, stimmt sie zwar traurig, doch es gibt Alternativen: «Manchmal besuchen mich Freundinnen, bringen feine Esswaren mit, und wir bereiten diese hier gemeinsam zu.» Vieles fehlt ihr heute im Alltag, aber auf Geselligkeit und Austausch muss sie nicht verzichten.

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