«Ist das Sterben leicht, brauchen sie uns nicht»
13.01.17
Letzte Woche hat das Onko-Plus-Team das einmal im Jahr stattfindende grosse Trauerritual durchgeführt. Im Jahr 2016 sind um die 330 Patientinnen und Patienten verstorben. Mit einem Feuer im Wald haben sich die Mitarbeitenden von ihnen verabschiedet.
Ein einziges Ritual pro Jahr genügt nicht mehr, um Abschied zu nehmen, von den Menschen, die Onko Plus betreut hat, und die im Laufe des Jahres gestorben sind. Etwa vier Mal jährlich sammelt das Team ebenfalls in einem ritualisierten Ablauf die Namen der Menschen, die kürzlich verstorben sind und erinnert sich an sie.
Die Vase mit den farbigen Zetteln war zum Schluss gut gefüllt. Zu Beginn des neuen Jahres hat nun das Pflege-Team von Onko Plus während einer kleinen Feier im Wald die Namen dem Feuer übergeben. Beim Punsch, der auf dem Feuer erwärmt wurde, erinnerten sich das Onko-Plus-Team an die Frauen und Männer, die sie betreut hatten. Sie tauschten sich auch darüber aus, wie sie ihre persönliche Trauer verarbeiten.
Während des Rituals, beim Aufschreiben der Namen oder Verbrennen der Zettel, fielen folgende Sätze:
«Es ist gut, dass wir uns würdig von allen Patientinnen und Patienten verabschieden. Auch wenn wir einige von ihnen nur ein einziges Mal gesehen haben.»
«Wenn das Sterben leicht ist, brauchen uns die Patienten nicht.»
«Wir erleben selten diese heiligen Momente, wie man sie zum Beispiel im Hospiz erlebt.»
«Nicht jeder Todesfall trifft einen.»
«Wenn ich einen Patienten über eine längere Zeit begleitet und betreut habe, geht mir sein Tod näher.»
«Besonders qualvolle Todeskämpfe quälen mich ebenfalls.»
«Manchmal brauche ich einen ganzen Tag oder eine Nacht, um mit einem Todesfall klarzukommen.»
«Manche Geschichten verfolgen mich jahrelang.»
«Einmal hatten wir eine Patientin, die in einer Behinderten-Wohngruppe lebte. Ein Mitbewohner besuchte sie und sagte: Es tuet mer schon no leid, dass du stirbst. Diese Direktheit hat mir gefallen.»
«Sie war eine so gepflegte Frau. Es schien mir nicht würdig, dass sie in Slip und T-Shirt bestattet wird.»
«Manche Särge werden immer noch zur Hintertüre rausgetragen.»
«Eine Patientin war so makellos schön, dass ich sie immer wieder anschauen musste.»
«Sie wollte keine Schläuche in ihrem Körper haben. Deshalb ging sie mit Exit.»
«Einer anderen Patientin war alles egal. Das Einzige, worauf sie Wert legte war: Sie wollte keine Männer im Haus.»
«Ich öffne jeweils mit meiner Frau eine Flasche Wein, wenn eine meiner Patientinnen gestorben ist. In letzter Zeit mussten wir ein paar Mal anstossen.»
«Bei einem Patienten war ich so häufig, dass mich der scharfe Wachhund schliesslich mit einem Schwanzwedeln begrüsste.»
«Das Paar lachte überhaupt sehr viel.»
«Wir erhielten einmal die Meldung von einer Partnerorganisation, ein Patient sei gegangen. Wir schickten der Familie daraufhin eine Beileidskarte. Es stellte sich als Missverständnis heraus: Der Mann lebte noch. Das war sehr peinlich.»
«Kürzlich meldete sich eine Frau bei uns an, deren Mann erst im November gestorben ist. Jetzt hat sie auch Krebs.»
«Es gibt Patienten, die erholen sich wieder und leben noch monatelang.»