«Sein starkes Herz wollte nicht aufhören zu schlagen»

27.09.23

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Annette Dörfler, die Ehefrau des verstorbenen Emil Dörfler, wurde von Palliaviva mitbetreut. Auf dem Foto sitzt sie in ihrem Wohnzimmer.

Annette Dörfler war fast 53 Jahre lang mit ihrem Mann Emil Dörfler verheiratet. An Ostern 2023 starb er nach einem aussergewöhnlich langen und komplexen Krankheitsprozess. Die Stärke des Paares hat alle beeindruckt.

Es war Osterdienstag 2023, abends, noch bevor im Fernsehen die «Tagesschau» lief. Annette Dörfler sass in ihrem Sessel in der Stube, stellte das Fernsehgerät aus und lehnte sich zurück. Da fiel ihr die plötzliche Stille auf, wie sie erzählt. «Jetzt ist es ruhig geworden», dachte sie noch, bevor sie sich ihrem Mann zuwandte. Emil Dörfler lag im Pflegebett im Wohnzimmer. Dort, wo er die letzten zwei Monate verbracht hatte. Friedlich verstorben, nach langer, schwerer Krankheit.

Emil und Annette Dörfler wurden von Palliaviva begleitet. Er litt unter sehr starken Schmerzen, die er als willensstarker Mann stets möglichst ohne Medikamente aushalten wollte. Seine Frau litt mit, pflegte und umsorgte ihn bis zum letzten Tag zu Hause. «Ich bin so dankbar für diese Zeit», sagt sie bei einem Treffen bei ihr daheim, einige Monate, nachdem er gestorben ist. «Es war schwer, aber wir hatten es noch einmal richtig gut zusammen.»

Plötzlich die Lungenkrebs-Diagnose

Emil Dörfler hatte im Juni 2018 auf einmal ungewöhnliche Schmerzen im Bereich der Schulter verspürt. Der damals 85-jährige, sportliche Mann verbrachte mit seiner Frau gerade Ferien in den Dolomiten. Als sie nach Hause zurückgekehrt waren, schickte man ihn in die Physiotherapie. Doch es wurde und wurde nicht besser. Ende 2018 folgten eine MRI-Untersuchung und die Diagnose: Lungenkrebs.

Der Patient wurde operiert und bestrahlt. «Er hatte danach nur noch seine halbe Lunge», sagt Annette Dörfler. Nach der Operation brauchte er Sauerstoff, später erholte er sich, hatte bei Anstrengungen aber Mühe mit Atmen, und der Krebs kehrte zurück. Schliesslich, sagt die Frau, sei man auch dem Grund für die Krankheit auf die Spur gekommen: «Asbest. Früher war man diesbezüglich nicht so aufmerksam wie heute.»

Emil Dörfler hatte von seinem Vater ein Sanitär-, Heizungs- und Spenglergeschäft in Oberrieden am linken Zürichseeufer übernommen. Das Unternehmen gibt es heute noch; zwei Söhne haben es vor bald zwanzig Jahren übernommen. Als junger Berufsmann, erzählt Annette Dörfler, sei ihr Mann häufig im Strassengraben gestanden und habe geschuftet. An die Asbest-Wolken habe er sich später lebhaft erinnert.

Die Familie hält zusammen

Das Ehepaar bekam neben den Söhnen zwei Töchter und neun Enkelkinder. Die Familie pflegt einen engen Zusammenhalt, wie Annette Dörfler erzählt. «Die Familie, die Spitex und Palliaviva waren mir in der letzten Zeit meines Mannes am Wichtigsten. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.» Auch die Besuche einer Seelsorgerin empfand sie als hilfreich. Nur manchmal stockt Annette Dörflers Stimme während des Erzählens, wenn es sehr emotional wird.

Emil und Annette Dörfler wurden bei Palliaviva vor allem von den Pflegefachfrauen Nadja Inderkum und Karin Zimmermann betreut. Beide Palliaviva-Mitarbeiterinnen haben prägende Erinnerungen an diese Begleitung. Sie erwähnen den eisernen Willen von Emil Dörfler, aber auch die aussergewöhnliche Stärke seiner Frau, der die Betreuung des kranken Mannes viel abverlangte. Besonders war für die Palliaviva-Mitarbeiterinnen auch der lange Prozess, während dem es Emil Dörfler sehr schlecht ging, bevor die eigentliche Sterbephase begann. «Sein starkes Herz wollte nicht aufhören zu schlagen», fasst Karin Zimmermann zusammen.

Portrait von Emil Dörfler in einem Garten mit farbigen Blumen.

Emil Dörfler war ein aktiver Mann; er war gerne in Bewegung.

Hilfe annehmen ist nicht einfach

Der Kontakt zwischen Palliaviva und dem Ehepaar Dörfler wurde ab Ende 2021 intensiver. Anfang 2022 erwischten beide eine Covid-19-Infektion, und Emil Dörfler ging es das erste Mal richtig, richtig schlecht. «Schon damals dachten wir, er wäre am Ende», erinnert sich seine Frau. Er raffte sich wieder auf, aber die starken Schmerzen waren zeitweise fast nicht auszuhalten.

Solange es ging, machte er täglich einen Spaziergang, half manchmal auch in der Werkstatt im Geschäft mit. Doch seine Kraft ging zur Neige, langsam zwar, aber stetig. Mehrmals gab es zwischen Anfang des Jahres 2022 und Ostern 2023 Phasen, in denen die Beteiligten dachten, er würde jetzt sterben.

Die letzten zwei Monate verbrachte Emil Dörfler nur noch im Bett. Das Pflegebett hatte man im Wohnzimmer installiert, nachdem der Patient nach langem Zögern zugestimmt hatte. Auch mit der Tatsache, dass die Spitex für die Körperpflege beigezogen werden musste, hatte er anfangs grosse Mühe. Erst als Nadja Inderkum und Karin Zimmermann von ihrem professionellen Standpunkt aus argumentierten, sagte er Ja dazu.

Am Abend des Osterdienstags, als sie feststellte, dass ihr Mann nicht mehr atmete, habe sie nicht sofort weinen können, berichtet Annette Dörfler. «Es war auch für mich eine Erlösung. So viele Male hatte er in den schmerzvollen Monaten vorher zu mir gesagt, er wäre froh, wenn Gott ihn endlich zu sich holen würde.»

«Ich mache das Beste daraus»

Die ganze Familie konnte sich von Emil Dörfler verabschieden. Karin Zimmermann von Palliaviva hat diesen Moment als sehr würde- und liebevoll in Erinnerung. Sie kam vorbei, wusch Emil Dörfler und zog ihm den Hochzeitsanzug an. «Die Hose passte wie angegossen, er hatte in der letzten Zeit ja kaum mehr gegessen», sagt seine Frau. Emil Dörfler war katholisch und wünschte sich eine Erdbestattung. «Er hat einen schönen Platz auf dem Friedhof, mit Sicht auf den See und den Säntis.»

Annette Dörfler ist mit ihren bald 80 Jahren immer noch sportlich, liebt das Velofahren, Wandern und überhaupt die Natur. Auf vieles davon hat sie lange verzichtet. «Jetzt hole ich nach, was ich nicht mehr konnte. Ich mache das Beste daraus», sagt sie selbstbewusst, ohne die Trauer über den Verlust ihres Mannes zu verstecken. Abends, wenn sie allein sei, würde sie ihm gerne erzählen, was sie tagsüber erlebt habe. «Dann würde ich mir wünschen, dass er neben mir sässe.»

Annette und Emil Dörfler hielten bis zuletzt fest zusammen.

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