Zwischen Ehrenämtern und Familienaufgaben
21.09.17
Onko-Plus-Stiftungsrätin Susanne Bernasconi drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern hat eine vermittelnde Art: «Mit zunehmendem Alter erreicht man sicher eine gewisse Gelassenheit.» (Bilder: sa).
Obwohl Susanne Bernasconi vor fast zehn Jahren aus dem Kantonsrat zurückgetreten ist, engagiert sich die 66-Jährige weiterhin für diverse gemeinnützige Vereine und Stiftungen. So auch für Onko Plus.
Ihr Lachen ist breit und mitreissend. Susanne Bernasconi ist eine elegante, gesetzte und zurückhaltende Frau, aber wer sie einmal lachen gesehen hat, weiss wie herzlich sie ist. Zum Gesprächstermin an einem heissen Sommernachmittag bei sich zu Hause, serviert sie Caffè freddo. In ihrer modern ausgebauten Wohnung in einem Jugendstilhaus am Zürichberg ist es schön kühl.
Die 66-Jährige ist seit zehn Jahren im Stiftungsrat von Onko Plus, gehört also zu seinen langjährigsten Mitgliedern. Sie sei damals von einem abtretenden Stiftungsrat angefragt worden, den sie noch aus ihrer Kindheit kannte. Die damalige Kantonsrätin wusste, dass sie das Parlament in zwei Jahren verlassen würde. Onko Plus passte ausserdem zu den anderen Mandaten, die sie bereits innehatte.
«Ich arbeite vorzugsweise für Non-Profit-Organisationen», sagt die Freisinnige, die von 1988 bis 1995 im Gemeinderat der Stadt Zürich und von 1995 bis 2009 im Kantonsrat sass. Diese Stiftungsrats- oder Vorstands-Ämter sind dem Alters-, Gesundheits- oder kulturellen Bereich zuzuordnen. Um nur die zu nennen, die sie noch immer ausübt: Sie ist Präsidentin des Schweizer Heimatwerks. Sie sitzt im Stiftungsrat der Alterswohnungen der Stadt Zürich und im Vorstand des Vereins Inselhof Triemli, der Frauen, Mütter, Kinder und Familien in schwierigen Situationen unterstützt. Bis vor Kurzen war sie Stiftungsrätin des Diakoniewerks Neumünster – schweizerische Pflegerinnenschule. Zudem engagiert sie sich für das Museum für Gestaltung, das Kulturama und die Thomas Mann Gesellschaft.
Das klingt nach viel, aber Susanne Bernasconi ist keine «Ämtchensammlerin», sondern sie hat als ehemalige Finanzpolitikerin tatsächlich etwas einzubringen. Sie verfügt über Erfahrungen in der gemeinderätlichen Rechnungsprüfungs- und in der kantonsrätlichen Finanzkommission. Daneben könne sie viel Lebenserfahrung mitbringen, und «sicher ist die Juristerei als Basis auch sinnvoll» .
Mit Gelassenheit und gesundem Menschenverstand
Einst hatte sie Jus studiert und auch das Anwaltspatent gemacht. Als sie jedoch Kinder bekam, gab sie ihre Tätigkeit als Anwältin auf, um bald darauf in die Politik einzusteigen. Leicht belustigt erzählt sie, dass sie in ihren ersten Wahlkampf – sie war 1988 in den Gemeinderat gewählt worden – mit dem Thema Tagesschule gezogen ist. Ein Thema, das dreissig Jahre später noch nicht gelöst ist: Nächsten Sommer stimmen die Stadtzürcher Stimmbürgerinnen und -bürger über die Ausweitung eines 2016 gestarteten Tagesschul-Projekts ab.
Auf dem Holztisch liegt die Tageszeitung. Bernasconis Interesse für Politik ist nicht abgeflaut. «Das kann man nicht einfach abstellen», sagt sie, die FDP-Mitglied ist. Ihr Mass an Parteisitzungen sei jedoch voll. Ihr politisches Geschick bringt sie jetzt in ihren Stiftungsrats- und Vorstandsämtern ein. Sie ist eine, die keine grossen Reden schwingt, sondern als Schlichterin oder Mediatorin auftritt. Sie lächelt über diese Einschätzung und sagt nur: «Mit zunehmendem Alter erreicht man sicher eine gewisse Gelassenheit.» Vieles lasse sich auch mit gesundem Menschenverstand lösen.
Das gilt auch für ihr Amt als Stiftungsrätin bei Onko Plus. Sie sagt, zu komplizierte Theorien seien für kleine Organisationen gar nicht nötig. Ihr gefällt die Strategie, dass Onko Plus in den Regionen vermehrt Fuss fasst. Nach einem Standort im Knonaueramt und im Limmattal kommt im Herbst nun auch einer im Bezirk Horgen dazu. Ihr gefällt auch, dass «wir in der Branche von einem Gegeneinander zu einem Miteinander gekommen sind». Damit spricht sie den Zusammenschluss der fünf spezialisierten Palliative-Care-Leistungserbringer zum Verband SPaC an, der Ende 2015 erfolgt ist. Damit einher ging auch die Aufteilung des Kantonsgebiets unter den fünf mobilen Teams, um die Anfahrtswege möglichst kurz zu halten.
Wer soll das bezahlen?
Was ihr weniger gefällt, ist, dass Onko Plus immer noch bis zu einem Drittel der Kosten mit Spenden decken muss. «Das wird nicht einfacher. Alle suchen Geld.» Bei der Verbandsgründung ging es deshalb auch darum, politisch mehr Druck auf die Gemeinden ausüben zu können, damit diese mit einem der Leistungserbringer einen kostendeckenden Vertrag abschliessen. Die Gemeinden sind nämlich für das Angebot an ambulanter Pflege zuständig und müssen deshalb auch die Mehrkosten übernehmen. Als Susanne Bernasconi im Kantonsrat war, gab es überparteiliche Bemühungen den Kanton zur Übernahme der Kosten der spezialisierten ambulanten Pflege zu verpflichten, die jedoch scheiterten. Bernasconi glaubt nicht, dass sich das System bald ändern lässt. «Ausser die Kosten im Gesundheitswesen würden einmal komplett anders aufgeteilt.»
Susanne Bernasconi hat sich selbst eine zeitliche Limite gesetzt für ihre Ehrenämter: Mit 70 Jahren will sie alle niederlegen. «Dann sollen Jüngere übernehmen.» Sie wolle sich dann nur noch dem widmen, was das Leben so bringe. Sie liest zum Beispiel gerne und kommt noch immer nicht wirklich dazu. Ausserdem haben sie und ihr Mann inzwischen drei Enkel. Sie ist mit Alt-Stadtrat Martin Vollenwyder verheiratet. Ein Paar waren die beiden auch schon während seiner Amtszeit, 2013 heirateten sie – «klammheimlich». Bernasconi bringt aus ihrer früheren Ehe zwei erwachsene Kinder und inzwischen ein Enkelkind mit, Vollenwyder drei Kinder und zwei Enkel. Dann und wann käme an einem Sonntag die ganze Familie bei ihnen zum Essen zusammen. Susanne Bernasconi kocht leidenschaftlich gern. Das Esszimmer mit der offenen Küche, das am diesem Nachmittag ziemlich leer und fast clean wirkt, wird so mit Leben gefüllt. «Ich, die ein Einzelkind war, habe nun eine richtig grosse Familie», sagt sie und strahlt.
Matrosin auf dem Hausboot
Susanne Bernasconi und Martin Vollenwyder bewohnen die untersten drei Stockwerke eines Mehrfamilienhauses im Zürcher Hirslanden-Quartier, das schon ihren Grosseltern gehörte und in dem sie geboren wurde. Eine der oberen Wohnungen bewohnt Bernasconis Tochter, die Gynäkologin im Triemli ist, mit ihrer Familie. Die Grossmutter hütet gerne auch deren Kind. Fest verpflichten wollte sie sich bei der Betreuung der Enkel jedoch nicht, denn sie und ihr Mann reisen gerne und wollen unabhängig bleiben. Eben sind sie von der mecklenburgischen Seenplatte zurück, wo sie Ferien auf dem Hausboot machten. Bernasconi schwärmt von der Landschaft und von der Grösse der Seen: «See ist für den Matrosen, also mich, natürlich super. Da gibt es nicht so viele Schleusen.» Regelmässig gehen sie auch mit dem Tonhalle-Orchester auf Tournee; Vollenwyder ist dessen Präsident.
Die Fragen, wie sie ihren allerletzten Lebensabschnitt verbringen will, beantwortet die ehemalige Politikerin nicht direkt, sondern holt aus. Sie sagt, bezüglich der Wohnform gebe es ja zwei Möglichkeiten. Entweder man bleibe, wo man sei, und sorge nicht vor. Dann gebe es eines Tages einen «Chlapf». Oder man kümmere sich um eine Wohnform, die auch im Alter passe. Ihr Ziel sei, «selber vorzusorgen, dass andere nicht für einen rennen müssen». Wie sie sterben möchte? Auch diese Frage beantwortet sie nur indirekt. Ein plötzlicher Tod sei für denjenigen ein schöner Tod, der gehe. Für die Angehörigen sei dies tendenziell schwieriger. Susanne Bernasconi hat für den Fall dass das Sterben länger dauern und sie eines Tages urteilsunfähig würde, eine Patientenverfügung erstellt In ihr hat sie festgehalten, dass sie keine lebensverlängernden Massnahmen wünscht. Sie wünscht aber auch, dass dies alles «noch nicht grad jetzt» eintreffe. Sie lacht ihr breites Lachen. Die umtriebige Ex-Politikerin und Familienfrau hat nämlich noch Einiges vor.